In diesem Dokument werden alle Erkenntnisse, Schlussfolgerungen sowie Vorschläge für Abstellmaßnahmen aus dem Starkregenereignis vom 14. Juli 2021 zusammengefasst.
Im Kern geht es um eine Verbesserung des Hochwasserschutzes in Gierath und Gronau und einen nachhaltigen Umgang mit Oberflächenwasser aus zukünftigen Starkregenereignissen.

Erkenntnisse & Schlussfolgerungen

Hochwasserrückhaltebecken (HRB) Kieppemühle

Das HRB Kieppemühle ist am 14. Juli an Kapazitätsgrenzen gekommen. Die für einen solchen Fall vorgesehen Mechanismen zur Vermeidung einer Beschädigung des HRB haben nach unserem Kenntnisstand wie vorgesehen funktioniert. Diese „Notöffnung“ führte in kurzer Zeit zu den Überflutungen im den Stadtteilen Gierath und Gronau. Bis zu dieser Notöffnung wurde die für Unterlieger maximal mögliche „schadfreie“ Wassermenge über die Strunde abgeleitet.

Im Rahmen des Projektes „Strunde hoch vier ““ ist die Erstellung eines Abschlages vom HRB Kieppemühle in den RRK geplant. Die Erstellung dieses neuen Abschlag, der mit dem existierenden Abschlagbauwerk am Dännekamp integriert werden soll, erfordert Investitionen im Bereich von mehreren Millionen Euro. Nach aktueller Planung wäre der Baubeginn frühestens 2027.

Der RRK Abschlag Dännekamp war bereits vor der Notöffnung des HRB Kieppemühle überlastet. An einem nahegelegenen Überdruckventil am Schlodderdicher Weg kam es über lange Zeit zu einer ca. 2m hohe Fontäne. Weitere Kapazitätsengpässe sind im Verlauf des RRK aufgetreten – am Einlauf Klärwerk Bergisch Gladbach, bei Haus Hardt und unterhalb des HRB Diepeschrath. Aus diesen Gründen wird dieser zusätzliche Abschlag mit einer Kapazität von 15m³/s vom Bürgerverein als nicht umsetzbar eingeschätzt.
Durch die Insolvenz der Firma Roplasto ergibt sich die Option ein an das HRB Kieppemühle angrenzende Gelände zu übernehmen, um zusätzliche Retentionskapazitäten bereitzustellen.

Hochwasserrückhaltebecken (HRB) Diepeschrath

Am 14. Juli wurde im RRK Kapazitätsgrenzen sowohl oberhalb als auch unterhalb des HRB Diepeschrath erreicht. Das Hauptziel dieses HRB ist eine Pufferfunktion um eine Querschnittsreduktion des RRK von 16m² (oberhalb HRB) auf 5,3m² (unterhalb HRB) zu ermöglichen.

Das Bedienpersonal hat entgegen Verfahrensanweisungen gehandelt und den Zulauf zum HRB nicht unterbrochen, um den RRK unterhalb des HRB vor Schäden zu schützen. Eine Schließung des Zulaufes hätte zu einem Rückstau im RRK mit sehr wahrscheinlichen Auswirkungen auch für Bergisch Gladbach geführt.

Nach Erkenntnissen einer Bürgerinitiative in Dünnwald zum Hochwasserschutz war das Überlaufen des HRB Diepeschrath, also Regenwasser aus Bergisch Gladbach, maßgeblich (ca. 80%) verantwortlich für die Flutung von ca. 120 Häusern.

Diese Bürgerinitiative schlägt die Erschließung von drei zusätzlichen Retentionsarealen in der Nähe des HRB Diepeschrath vor und fordert bis zur Realisierung dieser Vorschläge oder alternativer Strategien eine Reduzierung der RRK Nutzung auf den Planwert von 1995.

Lokale Retention

Neben der Abführung von Regenwasser durch spezielle Kanalsysteme wie den RRK, einer Zwischenspeicherung in dedizierten Retentionsbecken wie den HRB Kieppemühle und individuellem Objektschutz wird lokale Retention als weiterer Lösungsansatz immer bedeutender.

Aktuell wird in vielen Städten über das „Schwammstadt“ Konzept diskutiert. Das wesentliche Ziel dieses Ansatzes ist Regenwasser in stark versiegelten urbanen Arealen für spätere Nutzung oder Versickerung zurückzuhalten und in Konsequenz auch den Bedarf an Kanalkapazitäten zu reduzieren. Dieser Ansatz soll bei der Bewältigung von zwei Folgen des Klimawandels helfen - Starkregen und den ebenfalls zunehmend intensiveren Trockenperioden.

Anders als z.B. beim Frankenforstbach gibt es an der Strunde noch letzte Optionen für lokale Retention und Versickerung. Diese müssen in Anbetracht des sich beschleunigenden Klimawandels genutzt werden, auch wenn diese Flächen nur einen Teil der zu erwartenden Wassermengen aus Starkregenereignissen aufnehmen können.

Das Naturschutzgebiet (NSG) Kradepohlsmühle wäre mit entsprechender Eindeichung als lokale Retentionsfläche im Verlauf der Strunde geeignet.

Die Schlodderdeichswiese und der Thielenbrucher Wald wären auf Grund der topologischen Situation ebenfalls als Retentionsflächen geeignet. Für die Schlodderdeichswiese würde sich parallel zur Retentionsfunktion auch eine ökologische Aufwertung durch Nutzung als zusätzlicher Strahlursprung der Strunde sowie einer Erhöhung der Biodiversität (z.B. Wildbienen) über entsprechende Geländemodellierungs- und Pflanzmaßnahmen anbieten.

Gemäß EU-Wasserrahmenrichtlinie (WRRL) sollen (Fließ-)Gewässer europaweit bis zum Jahre 2027 in einen guten ökologischen Zustand (zurück-) versetzt werden. An der Strunde bietet sich eine Option an im Sinne dieser Richtlinie zu handeln und mögliche Straf- oder Kompensationszahlungen zu reduzieren oder zu vermeiden. Die Biotopvernetzung der gesetzlichen geschützten Bergischen Heidetrasse würde ebenfalls in der jetzigen Form erhalten bleiben.

Des Weiteren sehen wir ein Nutzbarkeit des Gierather Waldes für lokale Retention und Versickerung von Wasser aus dem HRB Kieppemühle. Bedingt durch die Erweiterung der Firma Krüger ist der Wasserzulauf zu diesem Waldgebiet deutlich reduziert worden. Der zentrale ehemalige Löschteich trocknet zum Beispiel seit einigen Jahren im Sommer aus. Eine „Eindeichung“ größerer Waldbereiche durch Erhöhung von Waldwegen könnte zum Beispiel ein Ansatz sein, um diese Retentionspotentiale zu erschließen. Der Gierather Wald war früher ein Sumpfgebiet, welches durch Entwässerungsgräben trockengelegt wurde.

Weitere positive Aspekte von lokaler Versickerung sind eine Verbesserung der Grundwasserbildung sowie des Mikroklimas, z.B. Kühleffekte durch Verdunstung.

Erweiterung Psychosomatische Klinik (PSK)

Nach unserem Kenntnisstand denkt die PSK bereits über Alternativen nach, wie z.B. den Weiterbetrieb des zweiten Standortes in Wermelskirchen-Dabringhausen. Unabhängig davon hat das EVK Bergisch Gladbach angeboten die dringend benötigten Intensivkapazitäten aufzubauen. Die Umsetzung dieser neuen Option würde die Wirtschaftlichkeit der EVK verbessern sowie eine klinisch integrierte Versorgung von akut suchtkranken Menschen ermöglichen. Es gibt zudem Optionen in Bergisch Gladbach auf bereits versiegelten Gebieten (z.B. Wachendorff Gelände oder Zanders Areal).

Aus Sicht des Bürgervereines sind Vorteile aus betriebswirtschaftlichen Synergien abzuwägen gegen eine Verbesserung des Hochwasserschutzes und Erhaltung von wichtigen Waldnahen Grünflächen.

Vorschlag

Aus der Basis des Bürgerdialoges zum Thema Starkregen vom 27. Oktober, sowie Diskussionen mit Verwaltung, Bürgern und weiteren Initiativen wurde folgender Vorschlag entwickelt:

Erhöhung der Strunde-Kapazität zwischen HRB Kieppemühle und Überlauf in den RRK am Abschlag Dännekamp auf 30 m³/s um eine Notöffnung des HRB bei einem vergleichbaren Starkregenereignis möglichst lange hinauszuzögern bzw. im Idealfall zu vermeiden. Nutzung der beschriebenen lokalen Retentionspotentiale.

Die wesentliche Elemente dieses Vorschlages sind:

  • Erweiterung des HRB Kieppemühle über einen Teil des Roplasto Betriebsgeländes
  • Eindeichung bzw. Verbreiterung der Strunde zwischen HRB und Abschlag Dännekamp. Im NSG Kradepohlsmühle sollte diese Eindeichung naturschutzkonform und am Rande des Geländes geführt werden, um lokale Retentionskapazitäten optimal zu nutzen.
  • Erweiterung der Durchlasskapazitäten an der Gierather Straße. Zwei Anwohner haben bereits signalisiert einen solchen Umbau zu unterstützen.
  • Reduktion der Kapazität des RRK Abschlag Dännekamp in Abhängigkeit von den realisierbaren lokalen Retentionskapazitäten.
  • Nachhaltige Nutzung der Schlodderdeichswiese als Strahlursprung und Retentionsareal für die Strunde sowie einer grundsätzlichen ökologischen Aufwertung (Bepflanzung) zur aktuellen reinen Mahdwiese.
  • Kapazitätserhöhung der PSK ohne Bebauung der Schlodderdeichswiese

Es ist unstrittig, dass die Klimafolgenkosten bereits heute schon sehr hoch sind und weiter steigen werden. Die Flutkatastrophe 2021 im Westen Deutschlands hat dies nochmals deutlich gemacht.

Wir haben Verständnis für die Mitwirkungspflicht der Bürger, z.B. in Form von privat finanziertem Objektschutz, und sehen auch die Grenzen der Verantwortlichkeit der öffentlichen Hand. Wir sehen allerdings auch die Ängste der Bürger vor einem erneuten Hochwasser mit allen Folgen wie z.B. der hohen physischen und psychischen Belastung, dem Verlust von Versicherungsschutz und natürlich schlichtweg auch Kapitalmangel, um teuren Objektschutz zu finanzieren. Hier muss eine ausgewogene Balance gefunden werden.

Die auf historischen Daten basierenden Kennwerte, also zum Beispiel „Auftrittswahrscheinlichkeit HQ-100“ für ein Hochwasserereignis welches statistisch nur einmal in 100 Jahren auftritt, verlieren im Rahmen des Klimawandels kontinuierlich an Relevanz, da die Häufigkeit von Extremwetterlagen exponentiell zunimmt.

Entscheidungen für Planung und Umsetzung von Hochwasserschutz sollten sich daher nicht mehr vorwiegend an diesen Kennzahlen orientieren, sondern zusätzliche Kriterien wie Nachhaltigkeit oder Aufwände im Verhältnis zur Risikominimierung berücksichtigen.

Im Risikomanagement sind Eintrittswahrscheinlichkeit und Auswirkung eines Risikos gleichwertige Faktoren. Konkret bedeutet dies das Risiken mit hoher Auswirkung und gleichzeitig mit vertretbarem Aufwand umsetzbarer Abstellmaßnahmen, das auch solche Risiken priorisiert bearbeitet werden, selbst wenn die Auftrittswahrscheinlichkeit sehr gering ist.

Aus Sicht des Bürgervereines bietet sich für den Hochwasserschutz in Gronau und auch die weiterem Unterlieger der Strunde eine Strategie mit diversen über fachliche und strategische Bewertungen noch zu bestätigenden Vorteilen an:

  • Ein Verzicht auf den mit „Strunde hoch vier“ geplanten zusätzlichen Abschlag zum Randkanal sollte substanziell finanzielle und personelle Ressourcen freisetzen.
  • Über eine priorisierte phasenweise Realisierung eine zeitnahe Verbesserung des Hochwasserschutzes in Gierath und Gronau.
  • Reduzierte Nutzung des Rechtsrheinischer Randkanales, um Auswirkungen von Starkregenereignissen z.B. für Anwohner in Dünnwald und Höhenhaus zu reduzieren.
  • Erhaltung waldnaher Flächen sowie Nutzung lokaler Retentionsflächen mit Vorteilen für Grundwasser und Mikroklima.
  • Erhöhung der Biodiversität durch ökologische Aufwertungen (z.B. Strahlursprung Strunde)
  • Verbesserte Konformität mit diversen ökologischen Richt- und Leitlinien (z.B. WRRL).
  • Große Akzeptanz und Unterstützung der Bürger in Gierath und Gronau.
  • Pilot Projekt für nachhaltigen Umweltschutz und den Umgang mit den Folgen des Klimawandels.

Als Nachteile sehen wir bei diesem diversifizierten Ansatz die sicherlich höheren Aufwände für Abstimmungen, Planungen, Freigaben sowie Budgetbeschaffung. Zusätzlich werden die Betriebsaufwände des vorgeschlagenen Konzeptes wahrscheinlich die Kosten für eine vorwiegend auf einem zusätzlichem RRK Abschlag basierenden Hochwasserschutz Lösung überschreiten.

Forderung

Der Bürgerverein bittet um eine vorbehaltsfreie Prüfung dieses Vorschlages. Bei positiver Bewertung sollte dieses Konzept in die Hochwasser Risikomanagement Pläne aufgenommen werden.
Bis zum Abschluss dieser Untersuchung soll der Vorhabenbezogene Bebauungsplan (VBP) 2496 gestoppt und die PSK aufgefordert werden Alternativen zu untersuchen. Die Option, zusätzliche Intensivpflege Kapazität durch das EVK bereitzustellen, sollte in diesem Kontext ebenfalls bewertet werden.

Fazit

Der Bürgerverein bietet seine Unterstützung sowohl für vermittelnde als auch umsetzende Maßnahmen an. Wir schlagen die Etablierung eines Arbeitskreis zwischen Bürgern und Vertretern der Verwaltung vor.
Ökologische Nachhaltigkeit muss ein führendes Entscheidungskriterium bei allen größeren öffentlichen und auch privatwirtschaftlichen Vorhaben werden. Der Klimawandel zwingt zu schnellen strategischen Neuorientierungen in allen Bereichen. Ein „weiter wie bisher“ geht nicht mehr! In Anbetracht der immer dramatischeren Auswirkungen des weltweiten Klimawandels darf es keine Tabus für Strategiewechsel geben.

Mit freundlichen Grüßen
Vorstand Bürgerverein Gierath-Schlodderdich